shiny, shiny…

Der Spiegel galt immer als Medium der Wahrhaftigkeit und der Täuschung, jemandem vorgehalten, soll er mitunter auch zur Selbsterkenntnis verhelfen. Heute ist es das Smartphone, das mit wenigen Klicks unser äusseres Erscheinen und inneres Wertgefühl reflektiert, bearbeitet, vervielfältigt, versendet und teilt. Prominente, Drag Queens, Models, Kritiker, Kuratoren, Kunstsammler, Poeten: Alle posierten sie für dreiminütige Close-ups ihrer selbst. Hinter der Kamera stand damals Andy Warhol, der mit filmischen Nahaufnahmen ihre intimsten Momente portraitierte.

In der Imploding Portraits Inevitable Reihe produzieren nachbearbeitete Factory Widergänger ihre eigenen Screentests, ein Vexierspiel aus poppig ausgeleuchteten Totalen und extremen Close-ups. Es scheint, als behaupten Licht und Schatten ihr störrisches Eigenleben zu einer an die Jetztzeit angedockten Velvet-Underground Rückkoppelung und ganz hinten vernimmt man Stimmen aus Chelsea Girls.

Warhol´s Exploding Plastic Inevitable hat sich in ein implodierendes Anti-Spektakel verwandelt.

photos: m. loizenbauer, c. haring

shiny, shiny…

Christian Höller

„Shiny boots of leather“ sucht man vergeblich in dem neuen Stück von Liquid Loft, Auftakt zu der größer angelegten Serie Imploding Portraits Inevitable. Dabei greift Shiny, shiny… vielerlei Versatzstücke aus dem Kontext von Andy Warhols Factory, deren Hausband The Velvet Underground bis hin zu Warhols historischem Multimediaspektakel The Exploding Plastic Inevitable auf – und macht sie unmissverständlich gegenwärtig, zutiefst im Hier und Heute verankert. Glänzende Lederstiefel, imaginär beschworen für all jene, die den Song Venus in Furs präsent haben – sie fehlen hier ebenso wie andere, allzu einsinnig verwendete „Props“, aus denen sich eine ominöse Vergangenheit rekonstruieren ließe.

Die Zeitlichkeit von Shiny, shiny… ist eine gänzlich andere und nicht nur vom Hier und Jetzt (dessen, was die Akteure in situ schaffen) geprägt, sondern vor allem auch von Feedbackschleifen, die diese Gegenwart unablässig aufspalten, sie sozusagen vervielfachen. Spaltung und Vereinigung, Individuierung und Überlagerung sind jene Mechanismen, die hier auf mehreren Ebenen ausagiert werden. Dies betrifft nicht allein die sich selbst inszenierenden und zugleich von außen inszenierten Subjekte, oder die laufend dabei produzierten Abbilder und medialen Doubles. Der gegenläufige Prozess kennzeichnet ebenso das „Einswerden“, zunächst mit sich, dann mit der Gruppe, dann das Herausfallen der Beteiligten aus eben dieser und schließlich ihr Übrigbleiben in schwebenden, undefinierten Konstellationen. Spaltung markiert zudem auch das besondere Geschichtsverhältnis, das hier zum Tragen kommt und das sich nicht in rückwärtsgewandtem Re-enactment entschwundener Vergangenheiten erschöpft, ja nicht einmal in deren stimmungsmäßiger oder Pastiche-artiger Beschwörung. Shiny, shiny… geht den umgekehrten Weg des bewusst eingesetzten Bruchs: rückt aktuelle Selbstfindungs- und -inszenierungsformen in den Mittelpunkt und lässt darin möglicherweise Vergangenes (das wir aber selbst nicht erlebt haben) auf betörende Weise nachwirken.

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Aber der Reihe nach: Was uns (und sich selbst) zunächst gegenübertritt, sind sechs PerformerInnen bzw. deren mediale Projektionen. Sechs Akteure, verwickelt in ein Spiel anhaltender, immer wieder gebrochener und dennoch unverdrossen fortgesetzter Selbstinszenierung, was fortwährend Spaltprodukte bzw. mediale Überschüsse zeitigt. Da sind zunächst die von den PerformerInnen geschaffenen Charaktere – für Kundige auf Anhieb als nachbearbeitete Widergänger aus Warhols Factory deutbar. Jedoch transzendieren sie diese Rolle, wie unschwer erkennbar ist, indem sie wiederholt ihre Props (Perücken, Sixties-affine Kleidung etc.) präparieren, neu arrangieren und so Distanz zu ihnen herstellen. Von Übervater Warhol gleichsam im Stich gelassen, sind sie dazu angehalten, ihre eigenen Screen Tests zu produzieren: Mit zwei beweglichen Kameras und mehreren Scheinwerfern operierend, schaffen sie extreme Closeups ihrer selbst – dazu poppig ausgeleuchtete Totalen, die wiederum ihr eigenes Videofeedback generieren. Ohne größeres Dazutun von außen, sondern ganz aus ihrer technischen Eigenart heraus.

Auf einer weiteren Stufe werden diese Live-Bilder an eine zweigeteilte Projektionswand hinter den PerformerInnen gebeamt, was zugleich eine bewegte, selbstbezügliche und dennoch (durch die Feedbackeffekte) aufgesprengte Kulisse der fortlaufenden Performances kreiert. Neben dieser Video- ist noch eine weitere Projektionsleinwand platziert, auf der Silhouetten, Schatten und Farbakzente ein lichtintensives Eigenleben führen. Wie überhaupt eine Welt aus Schatten und Farbtupfern die gesamte Szenerie mitregiert; die Akteure sich also nicht nur mit sich, der Gruppe, ihren Abbildern und deren Verdoppelungen (bzw. Vervielfachungen im Feedbackloop), sondern auch mit den quer durch den Raum geworfenen Schatten in ständiger Interaktion befinden. Was insgesamt eine höchst plurale Figuration entstehen lässt, in der sich Reales und Virtuelles, Physisches und Projiziertes unweigerlich zu mischen beginnen.

Soundmäßig ist Shiny, shiny… gleichfalls von einem Materialeinsatz geprägt, der Gegenwärtiges und Vergangenes, Gesehenes und Gehörtes absichtlich nicht zur Deckung kommen lässt. Da sind zum einen die sichtlich „gefakten“ Synchronspuren, etwa Atemgeräusche, zu denen einer der Performer im Kamera-Closeup gleichsam synästhetisch „actet“, oder ein dezent anhebendes Rauschen gleich zu Beginn, das sich immer mehr steigert und das gesamte Bühnen-Setting in ein pulsartiges Dröhnen hüllt. Zum anderen trägt die von Andreas Berger produzierte Musik ihren Teil dazu bei, dass die gesamte Inszenierung konzise zusammengehalten wird. Eine bestechende, mit heutigen Soundtools bearbeitete Version des Velvet-Underground-Stücks Venus in Furs schiebt sich mehrfach in den Vordergrund, und das gleich in mehreren Varianten. In Form der Instrumentalspur von The Gift hebt der Sound einmal zur Gänze von jeder songartigen Fundierung ab, um in dem verfremdeten Singsang „Mama, look at me now“ wieder auf den Boden des Menschlichen, Dialoghaften zurückgeholt zu werden.

„Mama, look at me now“…

…geht so wie die übrigen das Soundgeschehen bestimmenden Dialogfetzen auf diverse Warhol-Filme, genauer gesagt die von Paul Morrissey gedrehten Flesh (1968), Trash (1970) und Heat (1972) zurück. Meist sind es verbale Selbstbespieglungen oder ausgesprochenes „Posing“, welche die Satzfragmente eines Joe Dalessandro oder einer Geri Miller charakterisieren. Oft bleiben diese Dialoge wie eine Art Jive-Sound, durch 45 Jahre Kinogeschichte „nachhallend“, im multimedial durchwirkten Raum hängen. Egal ob man Wortfetzen wie „fornication“, copulation“ oder die geloopte Floskel „she’s gonna be a big star“ historisch zuordnen kann oder nicht, wichtig bleibt ihr – erkennbar gebrochener – Bezug zu den Körpern hier und jetzt, deren teils groteske Verrenkungen vom beherzten Versuch ihrer (letztlich unmöglichen) Einverleibung künden. So geht es in Shiny, shiny… nicht zuletzt auch darum, die hippen Formeln, den Sound von damals, in eine aktuelle körperliche Realität zu speisen, ohne dabei einer entschwundenen Vergangenheit nachzuhängen oder sich in Nostalgie zu verlieren.

Der hehre Ansatz der „Selbst-Affizierung“, den die Akteure als Basis ihrer Identitätsspiegelung praktizieren, kippt wiederholt in ein ebenso prosaisches wie vielsagendes Sich-kratzen-Müssen. Weil etwas juckt, die Kostüme nicht passen wollen, die Amphetamine zu wirken aufhören, oder vielleicht etwas grundlegend mit diesen Selbstentwürfen nicht stimmt – die unablässig produzierten Bilder dieses Selbst einfach nicht aufzufangen in der Lage sind? All dies lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Vielmehr wird, bewusst mehrdeutig, der selbstauferlegte Zwang, permanent Ich-Bilder produzieren bzw. medial geleitete Selbstoptimierung betreiben zu müssen, in geradezu schonungsloser Manier offengelegt.

Was bleibt, sind Feedbackschichten, die sich übereinander auftürmen, dazu gleißendes Licht und halbmelancholische Farbschlieren – „different colors made of tears …“

22.10.2017

CODA Oslo International Dance Festival, NO

24.04.2017

Tanzquartier Wien, AT

17.03.2016

Via 2016, Maubeuge, FR

16.01.2016

Tanzhaus NRW, Düsseldorf, DE

15.01.2016

Tanzhaus NRW, Düsseldorf, DE

17.09.2015

Incubate Festival Tilburg, NL

16.09.2015

Incubate Festival Tilburg, NL

15.09.2015

Incubate Festival Tilburg, NL

24.01.2015

Tanzquartier Wien, AT

23.01.2015

Tanzquartier Wien, AT

22.01.2015

Tanzquartier Wien, AT

dates

Künstlerische Leitung, Choreografie, Regie: Chris Haring
Tanz, Choreografie: Luke Baio, Stephanie Cumming, Katharina Meves, Anna Maria Nowak, Arttu Palmio, Karin Pauer
Komposition, Sound: Andreas Berger
Lichtdesign, Szenografie: Thomas Jelinek
Kostüm: Julia Cepp
Stage Management: Roman Harrer
Licht Design Assistenz: Sveta Schwin
Dokumentation, Fotos: Michael Loizenbauer
Distribution: Line Rousseau, Marion Gauvent; A PROPIC
Produktionsleitung: Marlies Pucher

Eine Koproduktion von Tanzquartier Wien & Liquid Loft.

Liquid Loft wird gefördert von der MA7 Kulturabteilung der Stadt Wien und dem BKA Bundeskanzleramt Kunst & Kultur.

credits

wiener zeitung, 23.1.2015

Warhols Erben / Verena Franke

„Am Puls der Zeit“ zu sein klingt nach einer abgedroschenen Phrase. Ist es auch. Dennoch, die Redensart fasst Chris Harings Schaffen punktgenau zusammen. Auch sein am Donnerstag uraufgeführtes „Shiny, Shiny . . . Imploding Portraits Inevitable“ reiht sich in diese Beschreibung ein.

Der österreichische Performer widmete sich zuvor etwa in „Deep Dish“, einem Teil der „Perfect Garden“-Serie, allen Facetten der Nahrungsaufnahme, davor behandelte er in „Talking Head“ das Thema Soziale Medien. In seiner neuen Serie „Imploding Portraits Inevitable“ geht es nun um die Selbstdarstellung via Smartphone, das Posieren vor der Handykamera, die narzisstische Selbstbeweihräucherung von üppigen oder gar nicht so üppigen Körperpartien. Diese Thematik verbindet Haring mit Andy Warhols „Exploding Plastic Inevitable“ – von Anfang 1966 bis Mitte 1967 veranstaltete der Pop-Art-Künstler eine Serie von multimedialen Performances und Happenings, die in Zusammenarbeit mit der Rockgruppe The Velvet Underground und der Sängerin Nico in The factory, seinen Studios in New York, stattfanden. Und so katapultiert Haring sein Publikum im Tanzquartier Wien mit einem Schlag in die 60er – und bleibt dennoch gegenwärtig. Inklusive Rausch. Drogen sollen es damals gewesen sein, heute gelingt eine fast psychedelische Wirkung mit farbintensiven Bildern und einem Sound, für den einmal mehr Andreas Berger verantwortlich ist: Mit zwei Videokameras und Scheinwerfern werden live Gesichter als eindringliche Porträts in einem extremen Close-up auf die Leinwand gespielt – mal simpel, dann wieder kaleidoskopartig. Es scheint, als würden diese Gesichter der Performer mit ihren fesselnden und durchdringenden Blicken einem direkt in die Seele schauen können. Besonders fasziniert hier Arttu Palmio gleich zu Beginn, Stephanie Cumming, jahrelanges Mitglied von Harings Liquid Loft, zeigt auch hier ihr schauspielerisches und performatives Talent.

Voguing für Selfies

Selbstinszenierung lautet die Devise der sechs Performer, ihre Perücken tauschen sie ständig, sie erfinden sich immerfort neu. Dies geht einher mit repetitiven Bewegungssequenzen, die an Voguing erinnern – einen Tanzstil, der in den 60er Jahren in New York erfunden wurde. Zackige Arm- und Beinbewegungen gemahnen an das Posing dieser Tanzart – wie eben auch das Posen für Selfies.

Doch dann kommt es zum Bruch: aus dem Original „Exploding“ wird Harings „Imploding“. Die Tonspur und Bewegungen werden schneller, die Szenerie wird skurriler und künstlicher. Haring überzeichnet und kritisiert den heutigen Selbstkult mit Mitteln der Vergangenheit, allen voran mit Warhols ähnlichen Bildspektakeln und auch mit Zitaten aus Filmen der Morrissey/Dallesandro-Trilogie, die in The factory entstanden sind. Verpackt hat er dies in eine Party-ähnliche Inszenierung, die fesselt, schmunzeln lässt und letztlich auch einen Spiegel vorhält.

der standard, 23.1.2015

Selfiegespenster aus der Warhol-Factory / Helmut Ploebst

Wie in Trance irren Gespenster durch flackernde Bilderverliese. Ihre Benommenheit hat Marshall McLuhan als jene beschrieben, die dem Narziss widerfuhr, als er süchtig nach seinem Spiegelbild wurde: Narkissos, der griechische Name der mythischen Figur, und die Narkose, so der Medienphilosoph, seien nicht ohne Grund wortverwandt.

Der österreichische Choreograf Chris Haring ist für sein neues Stück Shiny, shiny … – Imploding Portraits Inevitable, das gerade im Tanzquartier Wien gezeigt wird, mit den Tänzerinnen und Tänzern seiner Gruppe Liquid Loft in die Gewölbe der 1960er-Jahre hinuntergestiegen. Konkret in Andy Warhols New Yorker Factory, dieses großartige Psychokabinett mit dem Nimbus des Legendären.

Aus Warhols „Exploding Plastic Inevitable“-Eventserie von 1966/67 ist bei Haring eine Implosion des Porträts geworden. Der Haupttitel des Stücks stammt aus den Lyrics von Venus in Furs der Factory-Band The Velvet Underground. Das Motiv der Porträts bezieht sich auf Warhols berühmte „Screen Tests“-Filme und – unter anderem – auf Chris Harings frühere Arbeit Talking Head, in der er sich über den Narzissmus in den sozialen Medien lustig macht.

Was der luzide McLuhan, ein wenig geblendet von seinem Sixties-Optimismus, noch nicht vorausgeahnt hat, wird heute – auch bei Shiny, shiny … – immer deutlicher sichtbar: wie das Spiegelbild des Narkissos das Regiment übernommen hat, dem sich Millionen narkotisierter Mediensubjekte freudig unterwerfen. So werden, in geistiger Unschuld, Untote als Abbilder ihrer eigenen Selfies produziert.

Dabei hat sich die gute alte Frage „Wer bin ich?“ abgewandelt in: „Wie wirkt mein Bild?“ Genau das führt Shiny, shiny … vor. Im Bilderfluss der Performance spülen zwei Kameras, zwei Projektoren, eine Soundanlage und ein paar Scheinwerfer die sechs Figuren auf der Bühne in sich und scheiden sie wieder aus: Ihre Gesichter, ihre Körper, ihr Verhalten werden virtuos verschattet, zerleuchtet und durchmischt. Damit ist dem Liquid-Loft-Trio Chris Haring, Andreas Berger und Thomas Jelinek wieder ein außerordentliches Tanzstück gelungen.

tanz.at, 24.1.2014

Chris Haring hat seine „Perfect Garden“-Serie abgeschlossen und mit „Imploding Portraits Inevitable“ eine neue Performance-Reihe begonnen. / Ditta Rudle

„Shiny, shiny …“, der Beginn, erzählt von der heute zwanghaften Selbstreproduktion, die per Smartphone in alle Welt geschickt wird und setzt diese Sucht nach Außenwirkung und Selbstdarstellung in Verbindung mit dem 1960er Jahre Star Andy Warhol und seinen „Screen Tests“-Filmen.

Reverenz und Referenzen. Der Titel der Eröffnungsperformance ist der Beginn des Songs „Venus in Furs“ der Rockband „Velvet Underground“, mit der Pop-Artist Andy Warhol Mitte der 1960er Jahre zusammen gearbeitet hat. Auch der Serien Titel – „Imploding Portraits Inevitable“ – referiert auf Warhol, der mit Velvet Underground Multimedia-Happenings – „Exploding Plastics Inevitable“ – inszenierte.

Schatten und Doppelbilder. 

Der gesamte Soundtrack von Andreas Berger (Rauschen, Dröhnen, Knistern, Kratzen und Keuchen, Bearbeitungen von „Venus in Furs“, Fetzen von Zitaten aus Warhol-Filmen) beruht auf Vergangenem oder ist extrem künstlich, unwirklich, gespenstisch; Julia Cepp hat die Kostümierung der sechs PerformerInnen – Hotpants im Glitzerlook, Stiefel, Perücken – im Stil der 1960er geschaffen; auf der zweigeteilten Videowand erscheinen die Live-Bilder der Agierenden, mit zwei beweglichen Kameras schaffen Closeups ihrer Gesichter, Totalaufnahmen leuchten in poppigen Farben, verdoppeln, verdreifachen sich, werden ins Unendliche vervielfältigt. Auf einer zweiten Projektionswand tanzen die Silhouetten der PerformerInnen, wirken die Farbspiele als den Geist verwirrende Psychedelika, geistern Schatten durch die künstliche Welt. Wer tanzt mit wem? Die Wirklichkeit mit der Vergangenheit? Und wer führt? Die Schatten? Die eigenmächtig sich generierenden Videofeedbacks? Oder doch die TänzerInnen im Dämmerlicht der Bühne?. Sicher ist nur: Warhol steht nicht mehr zur Verfügung hinter der Kamera, die Darstellerin müssen ihre „Screen Tests“ selbst erzeugen.

Längst bin ich im Irrgarten der Bilder verloren gegangen. Wo, wer sind die lebendigen, die echten Menschen, was ist nur ihr Abbild, das mich narrt mit dem Abbild des Abbildes, in nicht endender Reihe. Bin ich noch ich oder auch bereits ein Schatten.

Screen Test wird zu Selfie. 

Das Publikum wird durch Zitate und Referenzen um 50 Jahre zurückgeworfen und , in eine Zeit, in der die Mehrheit noch gar nicht auf der Welt war. Was weiß dieses Publikum von Warhol und seiner Factory? Wie auch immer, auch wenn es die 15-Minuten-Stars, die sich immer wieder affenartig kratzen, juckt, es geht nicht um das Gestern, das dient nur als Transportmittel, wir sind im Heute. Nicht Screen Test sondern Selfie ist angesagt.

Auch die Mittel sind heutig: Mit der perfekt eingesetzten Technik (Lichtdesign und Szenografie: Thomas Jelinek, Technik Video: Michael Loizenbauer) kann man auch ein Publikum bei Laune halten, für das die nur noch auf dem Kunstmarkt lebendigen Kultfigur nichtmehr als ein Mythos ist. Die Tänzer (Luke Baio, Arttu Palmio und Tänzerinnen Stephanie Cumming auch choreografische Assistentin, Katharina Meves, Anna Maria Nowak und Karin Pauer) agieren solipsistisch oder synchron, rücken ihr Outfit zurecht und sorgen sich um ihr Videofeedback. Warhols serielle Kunst grüßt von der Videowand.

Melancholie und Konfusion. 

Die optimierte Vergangenheit, so ganz gegenwärtig, macht mir mehr Angst als sie unterhält, obwohl die Bewunderung für die technische Brillanz des gesamten Environments wie der TänzerInnen sich auch ihren Platz sucht. Eindrucksvoll ist diese Performance in jedem Fall. Chris Haring ist immer auf der Höhe der Zeit, sein Blick auf die Gesellschaft und ihr Verhalten hat die Schärfe eines Röntgenstrahl und er zeigt, was er sieht. Ohne ein Urteil abzugeben, mit den Mitteln (und Mitarbeitern) die er perfekt nützt. Es muss an der Beschleunigung, die uns alle voran treibt, liegen, dass die Darbietung von Serie zu Serie (Posing Project, Perfect Garden) diffuser, unwirklicher, verwirrender wird. Am Ende löst sich alles auf, die Musik verhallt, die Schatten verblassen, die Farben ergrauen, die TänzerInnen verschwinden. Was bleibt ist Melancholie und Konfusion.

profil, foto der woche, 19.1.2015

1129_Profil_8868865_150118.pdf  (888.70 KB)  

reviews

„Meanwhile the long-standing question “Who am I?” has become transformed to “What is the effect of my picture?” Which is exactly what Shiny, shiny… acts out. The stream of images, made up of two cameras, two projectors, a sound system and a couple of spots washes away the six figures on stage only to emit them again: Their faces, their bodies, their behaviour all shaded, drowned in light and blended in sheer virtuosity. In this the trio Liquid Loft, Chris Haring, Andreas Berger and Thomas Jelinek, once again managed to create an exceptional piece of dance.“

Der Standard / Helmut Ploebst

„Haring caricatures and criticizes the contemporary cult of the self with means from the past. Most of all with Warhol’s similar image-spectacles including quotes from movies from the Morrissey/Dallesandro-Trilogy which also were created at the factory. All this he presents in a party-esque production that enthralls, makes you smile and ultimately holds up a mirror.“

Wiener Zeitung / Verena Franke

„Chris Harings is constantly on the leading edge, his view for society and its behavior appears to possess x-ray precision and he presents what he observes.“

tanz.at / Ditta Rudle

quotes