legal errorist

Diese absturzgefährdete, sture Einheit Menschlein in seine kryptischen Bestandteile zu zerlegen ist schon ein bewegtes Vergnügen. Noch mehr Spaß macht es, dem Präsentations-Körper seine Ganzheit, seine Präsenz, seine Identität zu entziehen und eine körperliche, logistische Herausforderung zu kreieren; Übrig bleibt ein suchtgefährdetes Alien. Ein Körper-Junkie. Ein ursprünglicher Fremdkörper, der im Moment der Trägheit und Verwirrung von einem Programm zum anderen wechselt, oder auch nicht.

photos: c. haring, m. mattuschka

Die Droge Körper wird hier nicht einfach verboten, sie wird durch eine langsame und systematische Entziehungskur analytisch zerlegt und transparent gemacht. Ein moderner Körper wird isoliert vorgezeigt, neu ausprobiert und gebraucht verkauft.

Eine Choreografie aus dem Labor „Diese Körper, diese Spielverderber…“

03.02.2010

Maastricht, Netherlands

16.01.2010

Bordeaux, FR

15.01.2010

Bordeaux, FR

23.06.2007

Festspielhaus St Pölten, Austria, AT

05.05.2007

OHO Oberwart, Austria

25.06.2006

Murska Sobota, Slovenia

08.04.2005

CCL Linz, AT

07.04.2005

CCL Linz, AT

22.03.2005

Republic Salzburg, Austria

21.03.2005

Republic Salzburg, Austria

10.06.2004

die theater / Künstlerhaus, Vienna, AT

09.06.2004

die theater / Künstlerhaus, Vienna, AT

dates

Choreograpfie: Chris Haring
Tanz: Stephanie Cumming
Sound: Glim (Andreas Berger)
Video: Oliver Bokan
Produktions Management: Maria Derntl
Film: Mara Mattuschka 

credits

tanz.at, 25.06.2007

/ Ditta Rudle, Alexandra Fuchs

Nach den beiden Tanzstücken für junge TänzerInnen von Liz King am Freitag beschäftigten sich die Tänzerinnen Stephanie Cumming und Anna Tenta am Abschlussabend (23. Juni) mit der Veränderung und möglichen Auflösung der Identität.

Stephanie Cumming, Startänzerin in Chris Harings Kompanie Liquid Loft, ist der Körper in dem 2004 entstandenem Stück „Legal Errorist“. Im schwarzen Bikini zerlegt sie mit Witz und Akribie ihren Körper in seine Teile. Die Bauchdecke wölbt sich, als hauste darunter ein fremdes Wesen, die Arme sind wie bei einer Gliederpuppe zum Abmontieren bereit, die Hände, die Beine, ja die Augenlieder – jeder Teil des Frauenkörpers wird zu einem Rädchen in der Maschine Mensch. Macht die Maschinistin (Erroristin), umgeben von Lauten und Geräuschen, im verzweifelt plappernden und fragenden Gespräch mit sich selbst, einen Fehler, kommt der Helfer, startet das Räderwerk neu. Der Schatten macht sich (als Video von Oliver Bokan) selbstständig, der Körper ist leer, der Mensch nur noch ein Irrtum. Harings intelligent-witzige Choreografie lebt von Stephanie Cummings Körperbeherrschung, ihrer Gelenkigkeit und Ausdruckskraft. Im intimen Raum der Hinterbühne des Festspielhauses St. Pölten war dieses Stück aus Harings Archiv besonders wirksam. Inzwischen hat Haring den Körper übrigens wieder zusammengesetzt und lässt ihn posieren. Der 2. Teil seines „Posing Projects – The Art of Seduction“ hat bei ImPulsTanz am 8.8. im Semper Depot Premiere.

ballet-tanz, august, september 2004

Empathie und Errorismus / Helmut Ploebst

[…] Bei „Legal Errorist“, einem Solowerk von Chris Haring für die in Wien lebende kanadische Tänzerin Stephanie Cumming, taucht eine Besucherin aus der Zukunft auf. Cumming spielt eine Art Androiden, der sich aus einem Gliederstapel entfaltet, hochfährt wie ein programmiertes Gerät, erst Geräusche, dann Wörter spuckt. eine eruptive Glossolalie, die sich auf ihre Bewegungen überträgt. Unter ihrer Wellen schlagenden Bauchdecke scheint ein Fremdwesen auf seinen Ausbruch hinzuarbeiten. Der Schatten des Androiden entwickelt ein Eigenleben. Täumen die Tänzerin und ihr Schatten gemeinsam von einem elektrischen Schaf…? Mehrmals gerät die „Erroristin“ ins Stottern, wird neu gestartet. Haring sucht in dieser Arbeit das alte Phantasma einer medialen Virtualität zu entmystifizieren und spielt statt dessen mit der virtuellen Medialität des Körpers in der Liveperformance. Cumming erinnert als Android an die Doppelfigur Fred/Bob Arctor in einem anderen Roman von Dick, „A Scanner Darkly“ (dt. „Der dunkle Schirm“), sie scheint Junkie und Überwacher in einem zu sein. Die Tänzerin ist ein Mensch, der einen Androiden darstellt, der eine Frau spielt, deren Schatten sich temporär von ihr lossagt. Sie tut das mit meisterhaftem Einfühlungsvermögen, und Haring ist mit diesem Stück ein erster beachtlicher Wurf gelungen.

der standard, 14.06.2004

Das Eigenleben des Schattens / Helmut Ploebst

Bei „Legal Errorist“ von Chris Haring taucht eine Besucherin aus der Zukunft auf. Die Tänzerin Stephanie Cumming spielt eine Art Replikantin, die sich aus einem Gliederstapel entfaltet, hochfährt wie ein programmiertes Gerät, erst Geräusche, dann Wörter spuckt. Eine eruptive Glossolalie, die sich auf ihre Bewegungen überträgt. Unter ihrer Wellen schlagenden Bauchdecke scheint ein Fremdwesen auf seinen Ausbruch hinzuarbeiten. Der Schatten der Tänzerin entwickelt ein Eigenleben. Sobald die „Erroristin“ ins Stottern gerät, wird sie neu gestartet. In dieser Arbeit sucht Haring das alte Phantasma einer medialen Virtualität zu entmystifizieren und spielt stattdessen mit der virtuellen Medialität des Körpers in der Liveperformance. Cummings Replikantin ist wie die Doppelfigur Fred/Bob Arctor in Philip K. Dicks Roman „A Scanner Darkly“ Junkie und Überwacher in einem. In dieser Partie erweist sie sich als brillante Tänzerin.

die presse, 04.06.2004

Die Faszination des Mangelhaften / Isabella Wallnöfer

…Zweiter Teil des Abend: Chris Harings „Legal Errorist“, interpretiert von der hervorragenden Stephanie Cumming. Kaum ist Cumming, ein zusammengerollter Klumpen, auf die Bühne getragen und abgelegt wie ein zu schwerer Stein, beginnt es aus ihr, auf sie ein zu raunen, zu reden. Von allen Seiten scheinen sie die Laute zu bedrängen. In einem anschwellenden Stakkato aus Wortfetzen – Rechtfertigungen? Schuldzuweisungen? – scheint sich der Mensch auf der Bühne aufzulösen. Fuchtelnde Körperteile treiben den hysterischen Verbalschwall voran. „What?“, schreit Cumming. Was ist falsch an mir? Irgendetwas stimmt da nicht. Erst nach einiger Zeit bemerkt man, dass sich ihr Schatten selbstständig macht. Langsam kriecht er aus ihr heraus (Video: Oliver Bokan), vollführt seine eigenen Bewegungen, während sich die Tänzerin erschöpft an die Wand lehnt, neben sich steht. Etwas, das zu ihr gehört, ist ausgetreten, fehlt. Ohne diese Lebendigkeit ist der Körper funktionslos. Ein Fehler hat sich eingeschlichen. Error! Harings Choreografie rührt und belustigt. Der Körper-Junkie auf der Bühne ist verletzlich, interessant, tiefgründig, raffiniert. Ein einprägsames Beispiel für die Faszination des Mangelhaften.

die presse, 04.06.2004

The Fascination of the Imperfect / Isabella Wallnöfer
(Translation by Liquid Loft)

The second part of the evening has the brilliant Stephanie Cumming in a solo piece. As soon as she is deposited on stage like a lump, something in her starts to moan and mumble. From all directions the sounds seem to harass her/press on her. In a swelling staccato of word fragments – be it justifications or accusations – the person on stage seems to dissolve. Waving body parts drive the flood of words.

„What?“, screams Cumming. What’s wrong with me? Something’s wrong here. Only after some time can it be noticed that her shadow becomes independent. Slowly it crawls out of her (Video: Oliver Bokan), performs its own movements, while the dancer – exhausted – is leaning against the wall, literally standing beside herself. Something that belonged to her has resigned and lost. Without this vitality the body has no function. An error has sneaked into the system. Error! Chris Haring’s choreography is touching and amusing. The body-junkie on stage is vulnerable, interesting, deep and refined. An impressive example for the fascination of the flawed.

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