wellness

Site-Spezifische Kreation für das Palmenhaus im Wiener Burggarten im Rahmen des Impulstanz Festivals

WELLNESS beschreibt das Paradigma einer Gesellschaft der Befindlichkeit. Das Wohlfühlen gehört zu deren vornehmlichsten Zielen und steht zugleich für eine Bedingung, aus der heraus noch mehr produziert und konsumiert werden will. Wenig verwunderlich hat sich um diesen Begriff der Wellness ein ganzer Markt entwickelt, der das Wohlfühlen nicht nur verspricht, sondern auch verkauft. In diesem Sinne steht Wellness für eine Kultur der Befindlichkeit, die sich rechnet. Unter den Bedingungen von Wellness wird man eingeladen, die eigene Befindlichkeit und damit sich selbst zu konsumieren. Je nach Perspektive wird man gepflegt oder pflegt selbst, man wird trainiert oder trainiert selbst, wird gestreichelt oder streichelt selbst. Diese Ökonomie der Befindlichkeit eröffnet ein ganzes Repertoire an Gesten und Identitäten, das sich Liquid Loft zu Herzen genommen haben, um genauso fasziniert davon wie verwundert darüber ein Stück daraus zu entwickeln.

WELLNESS ist Teil von The Perfect Garden, eine Serie von Live-Performances und Objekt Installationen in Zusammenarbeit mit den bildenden Künstler Michel Blazy.

photos: c. haring, d. payr

wellness

Andreas Spiegl

Eingebettet findet sich dieses Stück in der Performancereihe „The Perfect Garden“. Und dieser perfekte Garten steht nicht nur für ein Stück Natur repräsentiert im Kontext des Palmenhauses im Wiener Burggarten, sondern auch für ein unaufhaltsames Wachstum. Dieser Garten wächst und wächst und wächst… Das entsprechende Set von Michel Blazy folgt dieser Logik des Wachstums. So abstrakt seine Geschöpfe und Pflanzen aus Schaum auch erscheinen mögen, so unerbittlich und zäh bahnen sie sich ihren Weg durch den Raum und die Zeit. Was hier wuchert und gedeiht, erinnert metaphorisch ans Ökonomische. So klettert und frisst sich die Ökonomie der Befindlichkeit in die Körper und durch die Körper. Unaufhaltsam nistet sich das Wohlbefinden in diesen Körpern ein, verspeist sie und verdaut sie. Die Tänzer_innen folgen diesem Verdauungsprozess möglicher Identitäten genauso wie den Soundgebilden von Andreas Berger. Diese Soundgewächse zögern nicht, sich ein Spektrum von kompositorischen Figuren und Prozessen genauso einzuverleiben wie elektronische Partikel und Geräusche, die assoziativ zwischen einer Maschinerie der Befindlichkeit, Urschreifiguren und alltagskulturellem Ambiente oszillieren. Unter den Koordinaten einer Politik der Befindlichkeit gehen Lust, Schmerz, Angst und Ekstase ineinander über. Zusammen formieren diese Elemente aus Tanz, Performance, Bühnenbild und Sound eine Grenze, an der das Wohlbefinden derart spürbar wird, dass es zu schmerzen beginnt.

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well…

Wenn dieses Stück eine Geschichte erzählt, bleibt diese variabel. Sie könnte von einem Spiel zwischen Natur und Kultur genauso handeln wie von den Übersetzungen einer Identitätspolitik in Körperpolitik. Wenn es Motive gibt, so appellieren diese ans Assoziative; und der assoziative Horizont reicht vom Garten – der in diesem Falle buchstäblich den Hintergrund abgibt, bis zur Wellness, die auf ein Subjekt abzielt, das sich nie gut genug fühlt. Dieses defizitär gedachte Subjekt liefert vielleicht den tatsächlichen Ausgangspunkt für das Stück: Ein Subjekt, dem etwas fehlt, begibt sich auf die Suche, um zu finden, wonach es nicht gesucht hat. So wird das suchende Subjekt zur staunenden Figur, die letztlich von sich selbst überrascht wird. Wie diese Überraschung neuerlich zum Ausgangspunkt für eine weitere Suche wird, so entzieht sich die Geschichte eines Anfangs und eines Endes. Das Stück hat schon begonnnen, bevor es noch beginnt und endet auch dann nicht, wenn es schon zu Ende ist. Was sich dazwischen aufspannt, ist ein Prozess, eine zeitliche Membran, die choreografisch und tänzerisch Bewegungen aus dem tragikomischen Lauf der Dinge fischt. Was in diesem zeitlichen Filter hängen bleibt, hängt mit keinem Grund zusammen: Weder wird eine kulturkritische These aufgespannt – und sei es die Fetischisierung des Wohlempfindens mit der darauf aufbauenden Wellnessökonomie, noch wird eine Konsequenz daraus abgeleitet, die sich auf moralische Perspektiven stützen müsste.

Ohne Grund und ohne Verdacht werden in diesem Stück einfache Vorraussetzungen akzeptiert: die Vorstellung des Menschen fußt auf der Existenz von Körpern; und diese Körper repräsentieren Raum genauso wie sie Raum einnehmen. Begleitet und strukturiert wird der Raum, den sie verkörpern und der sie umgibt, von Musik und Sound. Körper, Musik und Sound liefern das Material für die Sprache, die das Stück entwickelt, um die Frage danach stellen zu können, wie Körper und Raum in dieser Zeit, die mit unserer Gegenwart assoziiert werden darf, noch gedacht werden kann. Ohne Grund und ohne erkennbares Ziel vor Augen zielt die Inszenierung auf diese Gegenwart als Zwischenraum, und ohne das Getöse einer kulturkritischen Schlussfolgerung konzentriert sie sich auf das Interimistische, aufs Zwischenspiel. Was in den Blick gerät, sind punktuelle Prozesse, die um Intensität und Sprache ringen und von Intensität umringt werden. Wenn die Körper hier eine Spur verfolgen, werden sie zugleich von eben dieser Spur gezogen. Intensität, die sie irgendwo – im Raum oder in sich selbst vermuten – zieht sie an und eben diese Intensität wirft sie auch wieder aus der Bahn, um neuerlich nach ihr zu suchen. Was hier getanzt wird, ist Anziehung und Ausstoßen zugleich: immer in einer imaginären Gegenwart mit der Gefahr, aus der Zeit zu fallen. Unzeitgemäß, zu früh, zu spät, ziehen sich die Fäden der Zeit.

Wenn sich etwas entpuppt und herausschält, dann ist es nicht die menschliche Figur als Kokon sondern das Fragment. In diesem Stück tendieren das Detail, das Zwischenspiel und der Augenblick zum Fragmentarischen. Die Vorstellung vom vermeintlich Ganzen ist keine Sekunde Thema, nicht einmal sekundär. Sekundär ist vielleicht die Geschichte des Wissens, die hier mit erzählt wird: Der Augenblick, der zum Fragment heranwächst, verkörpert eine Erfahrung, die sich nicht in Wissen übersetzen lässt. Was auf den einen Augenblick folgt, kann nicht auf dem vorherigen aufbauen und sich langsam zu einem Wissen zusammenfügen; wenn hier Wissen entsteht, so ist es das Wissen darum, wieder von Neuem beginnen zu müssen, sich wieder auf eine Spur begeben zu müssen, um von dieser Spur angezogen und ausgestoßen zu werden. Signum dieser Spur ist die Wiederholung, die sich im tänzerischen Detail genauso verkörpert wie in der Struktur des Stücks. Insistiert hier das Detail aufs Ergriffensein von und in einer Bewegungsabfolge, so ist es da die Wiederkehr des Fragmentarischen.

Paradox erscheint allein das Nebeneinander von Wiederkehr und Veränderung: Was sich im Rahmen der Wiederkehr verändert, verändert sich nicht, weil es wiederkehrt. Und was sich im Rahmen der Veränderung wiederholt, wiederholt sich nicht, weil es sich je aufs Neue verändern muss, um überhaupt als Veränderung wiederholt werden zu können. Diese Membran zwischen Wiederkehr und Veränderung bildet den eigentlichen Grund, auf dem die Körper in diesem Stück tanzen und von diesem Stück getanzt werden, ohne auf einen Grund und eine Ursache verweisen zu müssen. Grundlos Grund genug…sich ganz wohl zu fühlen.

08.08.2011

ImPulsTanz Vienna International Dance Festival, AT

07.08.2011

ImPulsTanz Vienna International Dance Festival, AT

05.08.2011

ImPulsTanz Vienna International Dance Festival, AT

04.08.2011

ImPulsTanz Vienna International Dance Festival, AT

dates

Choreographie, Künstlerische Leitung: Chris Haring
Tanz, Choreographie: Stephanie Cumming, Kathryn Enright, Ian Garside, Anna Maria Nowak, Raquel Odena, Simone Truong, Thales Weilinger
Choreographische Assistenz: Stephanie Cumming
Sound, Komposition: Andreas Berger
Bühne, Licht, Dramaturgie: Thomas Jelinek
Set Design: Michel Blazy
Kostüm Design: Alexandra Trummer
Theorie, künstlerische Begleitung: Andreas Spiegl
Produktionsassistenz: Aymara Koch
Internationale Positionierung: Line Rousseau
Stage Management: Roman Harrer
Fotos: David Payr
Video: Michael Loizenbauer
Produktionsleitung, Management: Marlies Pucher

Koproduktion Wellness: Impulstanz Vienna International Festival & Liquid Loft

Koproduktion The Perfect Garden: Impulstanz Vienna International Festival, Tanzquartier Wien, tanz.ist Festival Dornbirn, Szene Salzburg & Liquid Loft

Liquid Loft wird unterstützt von der Stadt Wien MA7 Kultur und dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur  

credits

der standard, 5.8.2011

Diktatur als Kuschelmonster / Helmut Ploebst

Der österreichische Choreograf Chris Haring lotst sein Impulstanz-Publikum in einen Wohlfühlgarten, in dem es dennoch ungemütlich werden könnte: „Wellness – The Perfect Garden“.

Chris Haring kritisiert mit seinem „Wellness“-Abend die Widerspruchslosigkeit unserer Gesellschaft. 

Wien – Der Garten Eden hat im Burggarten-Palmenhaus bei Impulstanz einen irdischen Widerpart gefunden: das neue Stück Wellness – The Perfect Garden von Chris Haring und seiner Gruppe Liquid Loft. Und auch der Wiener Aktionismus erhält einen weichen Wiedergänger mit dem Neuen Wiener Bioaktionismus von Magdalena Chowaniec und Amanda Piña. Warum spült Österreichs Tanz jetzt so weich?: Weiße, zu Schaum gestockte Wolken, betörende Nymphen und adonisgleiche Jünglinge. Sanftes Gluckern im Palmenpalast. Ein Paradies mit absolutem Wohlfühlfaktor. Rundumservice. Endlich etwas Nettes für Groß und Klein.

Doch unter der Oberfläche dieser Wellness-Uraufführung juckt es. Haring trifft mit seinem makabren Wohlfühlmonster mitten ins Herz unserer Gegenwart. Es stellt eine Welt dar, in der es keine Widersprüche und keine Kritik mehr gibt, in der alles Unebene, jede Herausforderung und alles Denken gelöscht sind. Das macht erfahrbar, wie weich und kuschelig eine Diktatur sein kann, in der Genuss zur Norm geworden ist, wie flauschig sich ihre Inszenierung anfühlt und wie sanft darin verbliebene Worthülsen ertrinken.

Das Grinsen der Tänzer ist zwar steif, sie streicheln einander in sattem Schmatzen allzu mechanisch, aalen und produzieren sich in neurotischen Posen, patzen mit rosa Schleim herum und müssen sich dann kratzen, als ob sie allergisch wären. Aber am Ende ist es doch irgendwie gut, und weil es doch nicht ganz so gut war, reden sich’s die Paradiesvögel schön.

So tückisch versteckt muss Gesellschaftskritik heute sein. Vor dem Hintergrund eines politischen Pragmatismus, in dem unter allerlei Deckmäntelchen das Schrecklichste wieder gesellschaftsfähig gemacht wird, stellt Haring die dazugehörende Ausredenkultur gnadenlos an einen giftigen Kuschelpranger.

kurier, 5.8.2011

ImPulsTanz: Wellness bis ins Grab
Choreograf Chris Haring startet mit „Wellness – The Perfect Garden“ eine neue Performance-Serie
/ Silvia Kargl

Überquellender Badeschaum, ein künstlicher Garten mit wundersamen Pflanzen und Formen: So präsentiert sich der Auftakt zur neuen Performance-Serie „W e l l n e s s – The Perfect Garden“ von Liquid Loft/Chris Haring im Palmenhaus des Burggartens beim Wiener ImPulsTanz-Festival (noch zu sehen am 6. und 7. August).

Palmen und Publikum werden an den Rand gedrängt, wenn die Performer inmitten der in türkisfarbenes Licht getauchten Landschaft Michel Blazys zum ideal abgestimmten Sound Andreas Bergers den Raum erobern. In der utopischen Wunderwelt führen die Konzentration auf die Körper und die Suggestion des Wohlfühlens zu einer manischen Choreografie.

Jeder der Performer will sich selbst möglichst vorteilhaft positionieren, die Körper werden eigenartig bloßgestellt, am Designershirt scheint man zu ersticken. Reizvoll sind Spiegeleffekte und Verzerrungen, die auch das Glasdach des Palmenhauses in den Raum einschließen.

Kommunikation über Äußerlichkeiten 

Kommunikation ist dabei jedenfalls nur über Äußerlichkeiten möglich, frei nach dem Motto „Zeige mir deine Muskeln und ich sage dir, wer du bist“. Soziale und kulturelle Inhalte aber sind ausgeschlossen. Und dies wirkt letztlich befremdlich und pathetisch.

Statt Entspannung bringt diese „Wellness“ Verspannungen, das Lachen erstarrt zur Grimasse.

Selbst eine rosarot gefärbte Wundercreme, die aus einer künstlichen Quelle entspringt, bringt da keine Linderung. Und so führt der entseelte Weg unaufhörlich weiter bis zur Selbstzerstörung, zum Aus-der-Haut-Fahren-Wollen: Wellness bis ins Grab.

Ö1 kultur aktuell, 5.8. 2011

Wellness – ThePerfectGarden
Uraufführung beim ImPulsTanz-Festival
/ Christian Fillitz 
Textfassung: Walter Gerischer-Landrock

Im Palmenhaus im Wiener Burggarten fand die Uraufführung von „Wellness – ThePerfectGarden“ der Compagnie Liquid loft/Chris Haring statt. Sicher eine der interessantesten Arbeiten des heurigen ImPulsTanz–Festivals.

Seit der Gründung der Cie. Liquid Loft 2005 hat der Choreograf Chris Haring immer mit Künstlern aus anderen Bereichen zusammengearbeitet. Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch die Tänzerin Stephanie Cumming, der Dramaturg Thomas Jelinek und der Musiker Andreas Berger.

Wachsen und Gedeihen 

„Wellness“ ist die erste Produktion der Reihe „The PerfectGarden“. Dieser Garten ist nicht nur botanisch zu sehen, es geht um das Wachsen und Gedeihen an unterschiedlichen Orten, wobei die wunderschöne Glashaus-Architektur des Palmenhauses den perfekten Rahmen abgibt.

Im Inneren gibt es eine weiße Spielfläche, die Zuschauer haben nur am Rande Platz, auf der Bühne stehen und hängen Skulpturen aus weißem Schaum – Wolken oder Pflanzen ähnlich – Werke des französischen Künstlers Michel Blazy -, in einem Bereich blubbern rosa Geysire, dazwischen bewegen sich die Tänzer, zwei Männer und fünf Frauen. Sie reagieren auf die Soundgebilde von Andreas Berger, die ihrerseits auch den Raum definieren.

Raum für Assoziationen 

Reagiert die Musik auf die Tänzer oder umgekehrt? Oder haben die Akteure die Geräusche geschaffen die dann elektronisch verarbeitet wurden und auf die sie dann wieder reagieren? Verbindungen zu den Bewegungen sind jedenfalls vorhanden, da scheint ein herausgestreckter Bauch eigenartige, blubbernde Geräusche von sich zu geben, oder Gelenke scheinen zu krachen.

Doch die Abläufe bleiben fragmentarisch, der Zuschauer kann assoziieren, und vielleicht Bewegungen aus dem Wellness-Bewegungsbereich erkennen. Und das ist ja der Titel der Produktion.

Eine gelungene Produktion 

In diesem Raum aus Architektur, Licht, Sound und Schaumskulpturen bewegen sich die sieben Akteure. Liquid Loft arbeitet meist stark Raum-bezogen, etwa im Wiener Semperdepot, es gab einmal eine Trilogie, genannt „Posing Project“, die sehr statisch war. Hier ist viel Bewegung.

„Wellness“ dieser ersten, sehr gelungenen und lang applaudierten Produktion von „The Perfect Garden“ sollen weitere, an anderen unterschiedlichen Spielorten, folgen.

wiener zeitung online, 5.8. 2011

ImPulsTanz: Chris Haring hinterfragt Modetherapie „Wellness“

Wohlfühlen als Credo / Christina Köppl

Wellness in der blubbernden Schaumwelt. 

Wenn Wellness darauf steht, muss Wellness drinnen sein. Dass der Begriff Wellness Erwartungen weckt, selbst wenn es sich dabei um den Titel eines Stückes handelt, zeigte der große Besucherandrang Donnerstagabend im Palmenhaus des Burggartens. Die Nachfrage überstieg die Kapazität an Sitzplätzen und zwang viele Zuschauer, sich auf den Boden zu setzen.

Im fast palmenfreien Palmenhaus dominierte weiße Nacktheit und wolkenähnliche, blumig duftende Schaumgebilde: Ein paradiesischer Rahmen für die sieben Tänzer, die einer nach dem anderen, spärlich bekleidet, die freie Bühne betraten.

Verdauungstänze.

Ihre Bäuche heben und senken sich, so als ob Nahrung in ihren Mägen hinunterwandern würde, nur begleitet von Geräuschen, die das Verdauen signalisieren sollen. Nach und nach verwandelt sich dieser kollektive Genuss- und Verdauungsprozess in ein gegenseitiges Abtasten, so als würde man die Befindlichkeit des anderen prüfen. Die Bewegungen, die anfangs noch sehr kantig und verhalten wirken, werden mit jedem Handgriff fordernder und einnehmender und gehen schließlich in ein weiches zärtliches Streicheln über.

Einzelne Tänzer agieren wie Animateure, bringen neue Bewegung oder einen Ausdruck ins Spiel, welcher sofort unreflektiert von den anderen Performern übernommen wird. Und so folgt dem kollektiven Einrenken, Verdrehen und Dehnen, ein kollektives Kratzen und Lachen, was schließlich in einer Kussorgie des gemeinsam praktizierten Wohlfühlglücks endet. Das Geschäft mit der Befindlichkeit ist zu einem Markt geworden.

Der österreichische Choreograph Chris Haring wirft in seinem jüngsten Stück „Wellness – The Perfekt Garden“ mit seiner Kompanie Liquid Loft das im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals seine Erstaufführung feierte, einen sarkastischen Blick auf diese zum Trend gewordenen Wellness-Maschinerie. Das Ambiente dazu bietet der von dem bildenden Künstler Michel Blazy perfekt angelegte Fantasiegarten im Wiener Palmenhaus – übrigens eine der ersten Stationen der Performance-Reihe „The Perfekt Garden“ der beiden Künstler.

Doch Haring lässt den Traum der perfekten Welt wie eine Seifenblase platzen. Da, wo Wohlbefinden für den einen beginnt, fängt Schmerz für den andern an. Die kollektive Wellnessmanie ist nur Schaum, bei dem schließlich die Bedürfnisse des Einzelnen oft zu kurz kommen. Aber wer würde schon zugeben, dass die verordnete Wellness-Therapie nichts gebracht hat? Wie auf der Bühne die Performer, macht man ein strahlendes Gesicht zum bösen Spiel. Das ist well.

wiener zeitung, 2.8.2011

Der Fixstarter des ImPulsTanz-Festivals, Chris Haring, im Gespräch
Favoritner Wohlgefühl
/ Verena Franke

Wien. Ein riesiges blaues Tor auf der Laxenburgerstraße in Wien-Favoriten lässt nicht erkennen, was sich dahinter verbirgt. Öffnet man es, so bleiben die lärmenden Alltagsgeräusche Favoritens hinter einem, und vor einem liegt ein verwachsener Altwiener Hof, in dem elektronische Musik erklingt. Es ist ein blaues Tor in eine andere Welt, nämlich in jene von Chris Haring. Der österreichische Choreograph hockt in seinem hellen Proberaum in blauem T-Shirt und Khakhi-Hose, hinter ihm ein fast geordnetes Chaos an Kleidern, Schuhen und Taschen, vor ihm seine sieben Tänzer. Sie räkeln sich in bunter Unterwäsche am Boden, Haring gibt ihnen englische Anweisungen: „Touch your belly, very good.” Und er lacht, amüsiert sich über seine jüngste Choreographie „Wellness”, die am Donnerstag bei ImPulsTanz Premiere feiern wird.

Harings Sarkasmus und Humor sind die Grundnahrungsmittel seiner Stücke und offensichtlich auch bei den Proben omnipräsent: „Anders geht es nicht. Wenn witzige Dinge im Moment der Probe entstehen, dann motiviert das enorm”, so der 41-Jährige. Harings Arbeit basiert großteils auf der Frage, warum wir eigentlich tanzen. „Dafür brauche ich einen intellektuellen Input, und wenn ich diesen kapiere, kann ich es im Kontext sehr weit treiben. Was übrig bleibt, ist der Tanz. Das ist wie sezieren.” Manchmal findet er mit seinem Ensemble Liquid Loft keine Gründe, um zu tanzen. „Dann entstehen Stücke, in denen wir halt mehr stehen.”

Der Durchstarter.
Chris Haring ist Dauergast bei ImPulsTanz. 

Chris Haring, geboren im burgenländischen Schattendorf, zählt inzwischen zu den Fixstartern beim jährlichen ImPulsTanz-Festival. „Ein Fixstarter? Ein Fixstern!”, meint er wieder lachend. Doch damit hat er nicht unrecht, wurde er bereits 2007 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet. „In der Welt, in der wir uns bewegen, ist es mehr wert, wenn die Sparte an sich eine Anerkennung bekommt. Zu meinen Kollegen brauche ich damit nicht hausieren gehen.” Doch Personen, die Festivals organisieren und Gelder aufstellen, würden danach schon ihre Auswahlkriterien treffen. Apropos Gelder. Wie steht es für Tanzschaffende in Österreich? „Schlecht”, antwortet Haring kurz, sein Lachen verschwindet. „Das Budget ist gleich geblieben. Im Endeffekt ist es aber weniger geworden, denn die Inflationsrate ist gestiegen. Wir haben großes Glück, weil wir die Vier-Jahres-Subvention der Stadt Wien bekommen”, so Haring weiter. So könne er vorplanen, Performer einladen und alles fixieren. Sozusagen ohne böse Überraschungen, wenn dann doch eine Unterstützung nicht zustande kommt und auch die Tänzer im engagementlosen Raum schweben.

Nicht nur das finanzielle Wohlbefinden seiner Künstler ist Haring wichtig. Die Atmosphäre bei den Proben ist locker und freundschaftlich, seine fixe Tänzerin Stephanie Cunning verabschiedet sich mit einer herzlichen Umarmung in den freien Abend. „Mit Steff arbeite ich seit achteinhalb Jahren zusammen. Ihr kann ich nichts mehr sagen, ich glaube, sie würde mich auslachen”, scherzt Haring.

Rasante Modetherapie 

Auch in „Wellness” ist sie mit dabei, setzt seine Ideen um: „Ich werfe auf jeden Fall einen zynischen Blick auf die Modetherapie ,Wellness. Denn Wellness heißt immer jetzt und sofort: Ich trinke das Joghurt und mir geht’s besser, ich setzte mich auf diesen Stuhl und meine Rückenschmerzen sind weg.” Die neue Serie nennt Haring „The Perfekt Garden”, ein Thema, das in der bildenden Kunst seit Langem behandelt wird. Michel Blazys gestaltet das Bühnenbild und „er arbeitet mit dieser Gartenidee des wachsen und gedeihen lassen, aber auch vergehen lassen. Da passt Wellness sehr gut dazu, denn es ist nichts anderes als eine Verdichtung und Kompression des Wohlfühlens ist das Ergebnis”, sagt Haring. „Aber wir werden keine Bäume tanzen lassen.”

reviews

der standard, 5.8.2011

Diktatur als Kuschelmonster / Helmut Ploebst

Der österreichische Choreograf Chris Haring lotst sein Impulstanz-Publikum in einen Wohlfühlgarten, in dem es dennoch ungemütlich werden könnte: „Wellness – The Perfect Garden“.

Chris Haring kritisiert mit seinem „Wellness“-Abend die Widerspruchslosigkeit unserer Gesellschaft. 

Wien – Der Garten Eden hat im Burggarten-Palmenhaus bei Impulstanz einen irdischen Widerpart gefunden: das neue Stück Wellness – The Perfect Garden von Chris Haring und seiner Gruppe Liquid Loft. Und auch der Wiener Aktionismus erhält einen weichen Wiedergänger mit dem Neuen Wiener Bioaktionismus von Magdalena Chowaniec und Amanda Piña. Warum spült Österreichs Tanz jetzt so weich?: Weiße, zu Schaum gestockte Wolken, betörende Nymphen und adonisgleiche Jünglinge. Sanftes Gluckern im Palmenpalast. Ein Paradies mit absolutem Wohlfühlfaktor. Rundumservice. Endlich etwas Nettes für Groß und Klein.

Doch unter der Oberfläche dieser Wellness-Uraufführung juckt es. Haring trifft mit seinem makabren Wohlfühlmonster mitten ins Herz unserer Gegenwart. Es stellt eine Welt dar, in der es keine Widersprüche und keine Kritik mehr gibt, in der alles Unebene, jede Herausforderung und alles Denken gelöscht sind. Das macht erfahrbar, wie weich und kuschelig eine Diktatur sein kann, in der Genuss zur Norm geworden ist, wie flauschig sich ihre Inszenierung anfühlt und wie sanft darin verbliebene Worthülsen ertrinken.

Das Grinsen der Tänzer ist zwar steif, sie streicheln einander in sattem Schmatzen allzu mechanisch, aalen und produzieren sich in neurotischen Posen, patzen mit rosa Schleim herum und müssen sich dann kratzen, als ob sie allergisch wären. Aber am Ende ist es doch irgendwie gut, und weil es doch nicht ganz so gut war, reden sich’s die Paradiesvögel schön.

So tückisch versteckt muss Gesellschaftskritik heute sein. Vor dem Hintergrund eines politischen Pragmatismus, in dem unter allerlei Deckmäntelchen das Schrecklichste wieder gesellschaftsfähig gemacht wird, stellt Haring die dazugehörende Ausredenkultur gnadenlos an einen giftigen Kuschelpranger.

kurier, 5.8.2011

ImPulsTanz: Wellness bis ins Grab
Choreograf Chris Haring startet mit „Wellness – The Perfect Garden“ eine neue Performance-Serie
/ Silvia Kargl

Überquellender Badeschaum, ein künstlicher Garten mit wundersamen Pflanzen und Formen: So präsentiert sich der Auftakt zur neuen Performance-Serie „W e l l n e s s – The Perfect Garden“ von Liquid Loft/Chris Haring im Palmenhaus des Burggartens beim Wiener ImPulsTanz-Festival (noch zu sehen am 6. und 7. August).

Palmen und Publikum werden an den Rand gedrängt, wenn die Performer inmitten der in türkisfarbenes Licht getauchten Landschaft Michel Blazys zum ideal abgestimmten Sound Andreas Bergers den Raum erobern. In der utopischen Wunderwelt führen die Konzentration auf die Körper und die Suggestion des Wohlfühlens zu einer manischen Choreografie.

Jeder der Performer will sich selbst möglichst vorteilhaft positionieren, die Körper werden eigenartig bloßgestellt, am Designershirt scheint man zu ersticken. Reizvoll sind Spiegeleffekte und Verzerrungen, die auch das Glasdach des Palmenhauses in den Raum einschließen.

Kommunikation über Äußerlichkeiten 

Kommunikation ist dabei jedenfalls nur über Äußerlichkeiten möglich, frei nach dem Motto „Zeige mir deine Muskeln und ich sage dir, wer du bist“. Soziale und kulturelle Inhalte aber sind ausgeschlossen. Und dies wirkt letztlich befremdlich und pathetisch.

Statt Entspannung bringt diese „Wellness“ Verspannungen, das Lachen erstarrt zur Grimasse.

Selbst eine rosarot gefärbte Wundercreme, die aus einer künstlichen Quelle entspringt, bringt da keine Linderung. Und so führt der entseelte Weg unaufhörlich weiter bis zur Selbstzerstörung, zum Aus-der-Haut-Fahren-Wollen: Wellness bis ins Grab.

Ö1 kultur aktuell, 5.8. 2011

Wellness – ThePerfectGarden
Uraufführung beim ImPulsTanz-Festival
/ Christian Fillitz 
Textfassung: Walter Gerischer-Landrock

Im Palmenhaus im Wiener Burggarten fand die Uraufführung von „Wellness – ThePerfectGarden“ der Compagnie Liquid loft/Chris Haring statt. Sicher eine der interessantesten Arbeiten des heurigen ImPulsTanz–Festivals.

Seit der Gründung der Cie. Liquid Loft 2005 hat der Choreograf Chris Haring immer mit Künstlern aus anderen Bereichen zusammengearbeitet. Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch die Tänzerin Stephanie Cumming, der Dramaturg Thomas Jelinek und der Musiker Andreas Berger.

Wachsen und Gedeihen 

„Wellness“ ist die erste Produktion der Reihe „The PerfectGarden“. Dieser Garten ist nicht nur botanisch zu sehen, es geht um das Wachsen und Gedeihen an unterschiedlichen Orten, wobei die wunderschöne Glashaus-Architektur des Palmenhauses den perfekten Rahmen abgibt.

Im Inneren gibt es eine weiße Spielfläche, die Zuschauer haben nur am Rande Platz, auf der Bühne stehen und hängen Skulpturen aus weißem Schaum – Wolken oder Pflanzen ähnlich – Werke des französischen Künstlers Michel Blazy -, in einem Bereich blubbern rosa Geysire, dazwischen bewegen sich die Tänzer, zwei Männer und fünf Frauen. Sie reagieren auf die Soundgebilde von Andreas Berger, die ihrerseits auch den Raum definieren.

Raum für Assoziationen 

Reagiert die Musik auf die Tänzer oder umgekehrt? Oder haben die Akteure die Geräusche geschaffen die dann elektronisch verarbeitet wurden und auf die sie dann wieder reagieren? Verbindungen zu den Bewegungen sind jedenfalls vorhanden, da scheint ein herausgestreckter Bauch eigenartige, blubbernde Geräusche von sich zu geben, oder Gelenke scheinen zu krachen.

Doch die Abläufe bleiben fragmentarisch, der Zuschauer kann assoziieren, und vielleicht Bewegungen aus dem Wellness-Bewegungsbereich erkennen. Und das ist ja der Titel der Produktion.

Eine gelungene Produktion 

In diesem Raum aus Architektur, Licht, Sound und Schaumskulpturen bewegen sich die sieben Akteure. Liquid Loft arbeitet meist stark Raum-bezogen, etwa im Wiener Semperdepot, es gab einmal eine Trilogie, genannt „Posing Project“, die sehr statisch war. Hier ist viel Bewegung.

„Wellness“ dieser ersten, sehr gelungenen und lang applaudierten Produktion von „The Perfect Garden“ sollen weitere, an anderen unterschiedlichen Spielorten, folgen.

wiener zeitung online, 5.8. 2011

ImPulsTanz: Chris Haring hinterfragt Modetherapie „Wellness“

Wohlfühlen als Credo / Christina Köppl

Wellness in der blubbernden Schaumwelt. 

Wenn Wellness darauf steht, muss Wellness drinnen sein. Dass der Begriff Wellness Erwartungen weckt, selbst wenn es sich dabei um den Titel eines Stückes handelt, zeigte der große Besucherandrang Donnerstagabend im Palmenhaus des Burggartens. Die Nachfrage überstieg die Kapazität an Sitzplätzen und zwang viele Zuschauer, sich auf den Boden zu setzen.

Im fast palmenfreien Palmenhaus dominierte weiße Nacktheit und wolkenähnliche, blumig duftende Schaumgebilde: Ein paradiesischer Rahmen für die sieben Tänzer, die einer nach dem anderen, spärlich bekleidet, die freie Bühne betraten.

Verdauungstänze.

Ihre Bäuche heben und senken sich, so als ob Nahrung in ihren Mägen hinunterwandern würde, nur begleitet von Geräuschen, die das Verdauen signalisieren sollen. Nach und nach verwandelt sich dieser kollektive Genuss- und Verdauungsprozess in ein gegenseitiges Abtasten, so als würde man die Befindlichkeit des anderen prüfen. Die Bewegungen, die anfangs noch sehr kantig und verhalten wirken, werden mit jedem Handgriff fordernder und einnehmender und gehen schließlich in ein weiches zärtliches Streicheln über.

Einzelne Tänzer agieren wie Animateure, bringen neue Bewegung oder einen Ausdruck ins Spiel, welcher sofort unreflektiert von den anderen Performern übernommen wird. Und so folgt dem kollektiven Einrenken, Verdrehen und Dehnen, ein kollektives Kratzen und Lachen, was schließlich in einer Kussorgie des gemeinsam praktizierten Wohlfühlglücks endet. Das Geschäft mit der Befindlichkeit ist zu einem Markt geworden.

Der österreichische Choreograph Chris Haring wirft in seinem jüngsten Stück „Wellness – The Perfekt Garden“ mit seiner Kompanie Liquid Loft das im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals seine Erstaufführung feierte, einen sarkastischen Blick auf diese zum Trend gewordenen Wellness-Maschinerie. Das Ambiente dazu bietet der von dem bildenden Künstler Michel Blazy perfekt angelegte Fantasiegarten im Wiener Palmenhaus – übrigens eine der ersten Stationen der Performance-Reihe „The Perfekt Garden“ der beiden Künstler.

Doch Haring lässt den Traum der perfekten Welt wie eine Seifenblase platzen. Da, wo Wohlbefinden für den einen beginnt, fängt Schmerz für den andern an. Die kollektive Wellnessmanie ist nur Schaum, bei dem schließlich die Bedürfnisse des Einzelnen oft zu kurz kommen. Aber wer würde schon zugeben, dass die verordnete Wellness-Therapie nichts gebracht hat? Wie auf der Bühne die Performer, macht man ein strahlendes Gesicht zum bösen Spiel. Das ist well.

wiener zeitung, 2.8.2011

Der Fixstarter des ImPulsTanz-Festivals, Chris Haring, im Gespräch
Favoritner Wohlgefühl
/ Verena Franke

Wien. Ein riesiges blaues Tor auf der Laxenburgerstraße in Wien-Favoriten lässt nicht erkennen, was sich dahinter verbirgt. Öffnet man es, so bleiben die lärmenden Alltagsgeräusche Favoritens hinter einem, und vor einem liegt ein verwachsener Altwiener Hof, in dem elektronische Musik erklingt. Es ist ein blaues Tor in eine andere Welt, nämlich in jene von Chris Haring. Der österreichische Choreograph hockt in seinem hellen Proberaum in blauem T-Shirt und Khakhi-Hose, hinter ihm ein fast geordnetes Chaos an Kleidern, Schuhen und Taschen, vor ihm seine sieben Tänzer. Sie räkeln sich in bunter Unterwäsche am Boden, Haring gibt ihnen englische Anweisungen: „Touch your belly, very good.” Und er lacht, amüsiert sich über seine jüngste Choreographie „Wellness”, die am Donnerstag bei ImPulsTanz Premiere feiern wird.

Harings Sarkasmus und Humor sind die Grundnahrungsmittel seiner Stücke und offensichtlich auch bei den Proben omnipräsent: „Anders geht es nicht. Wenn witzige Dinge im Moment der Probe entstehen, dann motiviert das enorm”, so der 41-Jährige. Harings Arbeit basiert großteils auf der Frage, warum wir eigentlich tanzen. „Dafür brauche ich einen intellektuellen Input, und wenn ich diesen kapiere, kann ich es im Kontext sehr weit treiben. Was übrig bleibt, ist der Tanz. Das ist wie sezieren.” Manchmal findet er mit seinem Ensemble Liquid Loft keine Gründe, um zu tanzen. „Dann entstehen Stücke, in denen wir halt mehr stehen.”

Der Durchstarter.
Chris Haring ist Dauergast bei ImPulsTanz. 

Chris Haring, geboren im burgenländischen Schattendorf, zählt inzwischen zu den Fixstartern beim jährlichen ImPulsTanz-Festival. „Ein Fixstarter? Ein Fixstern!”, meint er wieder lachend. Doch damit hat er nicht unrecht, wurde er bereits 2007 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet. „In der Welt, in der wir uns bewegen, ist es mehr wert, wenn die Sparte an sich eine Anerkennung bekommt. Zu meinen Kollegen brauche ich damit nicht hausieren gehen.” Doch Personen, die Festivals organisieren und Gelder aufstellen, würden danach schon ihre Auswahlkriterien treffen. Apropos Gelder. Wie steht es für Tanzschaffende in Österreich? „Schlecht”, antwortet Haring kurz, sein Lachen verschwindet. „Das Budget ist gleich geblieben. Im Endeffekt ist es aber weniger geworden, denn die Inflationsrate ist gestiegen. Wir haben großes Glück, weil wir die Vier-Jahres-Subvention der Stadt Wien bekommen”, so Haring weiter. So könne er vorplanen, Performer einladen und alles fixieren. Sozusagen ohne böse Überraschungen, wenn dann doch eine Unterstützung nicht zustande kommt und auch die Tänzer im engagementlosen Raum schweben.

Nicht nur das finanzielle Wohlbefinden seiner Künstler ist Haring wichtig. Die Atmosphäre bei den Proben ist locker und freundschaftlich, seine fixe Tänzerin Stephanie Cunning verabschiedet sich mit einer herzlichen Umarmung in den freien Abend. „Mit Steff arbeite ich seit achteinhalb Jahren zusammen. Ihr kann ich nichts mehr sagen, ich glaube, sie würde mich auslachen”, scherzt Haring.

Rasante Modetherapie 

Auch in „Wellness” ist sie mit dabei, setzt seine Ideen um: „Ich werfe auf jeden Fall einen zynischen Blick auf die Modetherapie ,Wellness. Denn Wellness heißt immer jetzt und sofort: Ich trinke das Joghurt und mir geht’s besser, ich setzte mich auf diesen Stuhl und meine Rückenschmerzen sind weg.” Die neue Serie nennt Haring „The Perfekt Garden”, ein Thema, das in der bildenden Kunst seit Langem behandelt wird. Michel Blazys gestaltet das Bühnenbild und „er arbeitet mit dieser Gartenidee des wachsen und gedeihen lassen, aber auch vergehen lassen. Da passt Wellness sehr gut dazu, denn es ist nichts anderes als eine Verdichtung und Kompression des Wohlfühlens ist das Ergebnis”, sagt Haring. „Aber wir werden keine Bäume tanzen lassen.”

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